Das Fest des offenen Himmels
Das Hochfest Allerheiligen hat mehrere geschichtliche Wurzeln. Eine davon erinnert an die Weihe der römischen Kirche Sancta Maria ad Martyres im Jahre 609. Besser bekannt ist diese Kirche unter dem Namen “Pantheon”– es ist jener Bau mit einer kreisrunden Kuppel mitten in der Altstadt von Rom, der im Jahr 12 vor Christus von Agrippa errichtet wurde und der Verehrung aller Götter diente. Etwas älter als unser Herr Jesus Christus, zeigt die Geschichte dieses Bauwerks den großen Wechsel vom römischen Götterkult zum Christentum an.
Das Pantheon ist ein beeindruckendes Gebäude, vor allem, wenn man den Blick nach oben richtet: Da ist bis heute die offene Kuppel, die den Blick in den Himmel möglich macht. Im Sommer sieht man aus der Kirche in ein strahlend tiefes Blau, oder man merkt die Wolken aufziehen, Gewitter sich ankündigen; wenn es regnet, dann regnet es auch in die Kirche hinein; und zu Pfingsten gibt es eine Besonderheit – da rieseln nach der Messe in Erinnerung an die Zungen wie von Feuer rote Rosenblätter auf die Gläubigen herab.
Ist das nicht ein schönes Bild für Allerheiligen? An diesem Tag tun wir als Kirche einen Blick in den Himmel hinein. Wir schauen auf unsere Brüder und Schwestern, die ihren Glaubensweg bereits vollendet haben – ob sie nun von der Kirche heilig gesprochen worden sind oder “nur” im Herzen Gottes und im Gedächtnis der Menschen als solche verehrt werden. Wir sehen das Ziel, auf das wir noch zugehen – und das ermutigt uns, manche Beschwernis, manche innere Krise und manche äußere Anfechtung durch den immer mal wieder beklagenswerten Zustand der Kirche zu überwinden und zu glauben.
Blick nicht durch Debatten verstellen
Zum anderen ist das Pantheon und seine Architektur ein gutes Bild für die Kirche insgesamt. Sie muss den Blick für den Himmel offen halten, darf ihn nicht verstellen durch alle möglichen Debatten, Zwistigkeiten, durch depressive Stimmung in einer Zeit großer Veränderungen, wie wir sie momentan erleben. Die Menschen unserer Tage dürfen von der Kirche erwarten, dass sie die Perspektive auf den Himmel offen hält und ins Leben hinüber holt. Denn das alltägliche Leben der Menschen ist doch oft so glanzlos, so verstellt, so in sich gekrümmt und bekümmert. Sie brauchen den Kontakt zum Himmel.
Aber dann gilt eben auch: Der Himmel darf sich einmischen in unser Leben. Der Himmel ist nicht immer nur strahlend blau oder streut Rosen. Manchmal meldet er sich geradezu unbequem, wenn wir dabei sind, auszutrocknen, uns zu verlaufen, das Zeugnis für den Glauben einzutrüben. Dann stoßen wir uns am Himmel, an Gott, an den großen Vorbildern im Glauben – und sie stoßen uns an; dann regnet es vom Himmel herab, um im Bild zu bleiben.
Unser Leben und Glauben haben ein Ziel
Allerheiligen sagt uns: Unser Leben und Glauben haben ein Ziel. Jetzt schon ist der Himmel über uns aufgetan, und wir können darauf zugehen. Aber wir müssen auch gewärtigen, dass er sich einmischt, unser Gott – und vielleicht auch seine Heiligen, um uns hilfreich zur Seite zu stehen oder auch einmal gerade zu rücken, wenn wir auf dem Holzweg sind. Mit all dem rechnen wir katholische Christen mit unserer Heiligenverehrung. Für mich ist es ein wunderbares Wissen um die Geborgenheit in einer großen Gemeinschaft all derer, die Christus, unser Herr, erlöst hat und ans Ziel bringen will – ins Haus seines Vaters.
Von Georg Bätzing
(www.katholisch.de)
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