Not lehrt beten: Bei Krankheit und Tod greifen auch religionslose Menschen auf kirchliche Angebote zurück. Besitzergreifend dürfen Seelsorger dabei aber nicht sein – und sie müssen lernen, auf den christlichen Sprachjargon zu verzichten.
Beerdigungen in Ostdeutschland können manchmal kurios sein. Etwa wenn die konfessionslose Trauerrednerin am Grab sagt: “Und jetzt lese ich auf besonderen Wunsch der Familie noch ein Gedicht vor: Vater unser im Himmel…” Trauerbegleitung ist ein boomender Markt, den auch immer mehr kommerzielle Anbieter für sich entdeckt haben. Neben Trauerrednern gibt es Trauer-Cafés, Trauer-Grillen, Trauer-Fahrten. Doch die Kirchen, kernkompetent in Sachen Trauerarbeit, sehen die Konkurrenz gelassen – selbst im säkularen Osten mit überwiegend religionsloser Bevölkerung.
“Seelsorge-Ambulanz” im Krankenhaus
“Die Menschen nehmen unser Angebot an, weil sie spüren: Bei denen ist das kein Geschäft. Die glauben daran und stehen dahinter. Bei denen gibt’s nicht nur noch’n Gedicht”, berichtet Diakon Bernhard Feuersträter, Krankenhaus-Seelsorger in Halle, auf der Kirchenmesse und Ideenbörse “pastorale!” in Magdeburg. Im Fokus der viertägigen Veranstaltung aller ostdeutschen Bistümer im vergangenen Monat stand die Rolle der Christen in einem säkularen Umfeld.
Im Krankenhaus “vermittelt” ihn das Pflegepersonal regelmäßig auch an Religionslose, die “Redebedarf” haben, erzählt Feuersträter, dessen Büro ein Schild mit der Aufschrift “Seelsorge-Ambulanz” ziert. “Gerade im Sterbeprozess kommen auch bei ihnen nicht unbedingt religiöse, aber doch Sinnfragen.” Nicht selten ergibt sich daraus, dass die Sterbenden oder Angehörige ihn bitten, auch die Beerdigung zu übernehmen. “Das mache ich selbstverständlich – aber ich habe immer drei Bedingungen”, sagte der Geistliche. “Ich trage liturgische Kleidung. Weil es ein Dienst meiner Kirche ist. Die Trauergemeinde muss damit leben, dass ich von meiner Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod erzähle. Und schließlich: Ich lade dazu ein, das ‘Vater unser’ zu beten – denn es beinhaltet alle Sehnsüchte der Menschen.”
Der Theologe Klaus Tilly ist beim Kinderpflege- und Kinderhospizdienst in Magdeburg tätig. Er begleitete ein konfessionsloses Paar, dessen acht Monate alte Tochter im Sterben lag. Plötzlich überraschten die Eltern ihn mit dem Wunsch, die Tochter taufen zu lassen. Auf seine Frage nach dem Warum antworteten sie: “Wir waren bei Bekannten zu einer Taufe, und das hat uns bewegt: Wir hatten den Eindruck, da wurde ein Leben gefeiert, das nicht endet. Das möchten wir auch für unsere Tochter.” Reicht das schon für eine Taufe, fragte sich Tilly?
Im weiteren Gespräch darüber sagten die Eltern: “Wir möchten, dass einer unsere Tochter in Händen hält, wenn wir sie auf den Händen geben müssen.” Tilly war beeindruckt: “Was für ein Credo aus dem Mund von Konfessionslosen, die es eben nicht mit Worten wie Gott und Himmel ausdrücken können.” Gemeinsam mit den Eltern passte der Theologe die traditionellen Tauftexte so an, dass der Kern und Geheimnis dieses Sakraments auch für nichtreligiöse Menschen nachvollziehbar wurde.
“Kirchlich inkognito” im Kinderhospiz
Sprach-Sensibilität ist das A und O, um Zugang zu den Menschen zu finden. Für Diakon Feuersträter war dies ein echter Lernprozess: “Die Sprache meiner katholischen Sozialisation im Münsterland versteht hier im Osten keiner.” Die Krux sei es, eine verständliche, lebensnahe Sprache zu finden, ohne sich dabei völlig zu verbiegen und den eigenen Glauben ganz dahinter verschwinden zu lassen. Wichtig sei aufmerksames Zuhören, um mitzubekommen, welche Bilder die Betroffenen ansprechen. Hängen in der Wohnung zum Beispiel viele Bilder vom Meer und von Leuchttürmen, sei das ein Ansatzpunkt, denn dahinter stecke ja auch immer eine Sehnsucht.
Ein Punkt beim Zugang auf Religionslose ist auch: Was passiert, wenn ich sage, dass ich von der Kirche komme? Tilly lässt sich im Kinderhospiz immer “kirchlich inkognito”, wie er sagt, von den Pflegekräften als “ein Kollege, der richtig Zeit für Sie hat”, vorstellen. “Es hat sich etwas so ergeben, aber ich glaube schon, dass sich vielleicht auch manche Türe bei einem Nichtreligiösen sofort schließen würden, wenn ich als allererstes als Theologe vorgestellt würde.” Sein Kollege Feuersträter tritt zwar nicht auf diese Weise an die Kranken heran, doch auch er hörte schon: “Wir hätten Sie nie von uns aus angesprochen. Danke, dass Sie auf uns zugekommen sind!”
(Von Karin Wollschläger (KNA),katholisch.de)
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