“Santo subito!” – “Heilig, und zwar sofort!” Schon bei der Totenmesse für Johannes Paul II. am 8. April 2005 waren diese Sprechchöre lautstark zu hören. Möglichst schnell, am besten sofort, wollte das Volk der Gläubigen den verstorbenen Papst in der Gemeinschaft der Heiligen wissen.
Kein Heiliger entsteht aber einfach so und auf der Stelle. Der Heiligsprechung und der zwingend vorausgehenden Seligsprechung liegt ein umfangreiches Verfahren zugrunde. Im Fall von Johannes Paul II. begann Letzteres nur 87 Tage nach seinem Tod – eine Rekordzeit: Normalerweise müssen dafür mehrere Jahre seit dem Ableben des künftigen Heiligen oder Seligen vergehen. Ist das Verfahren abgeschlossen, kann die Person öffentlich verehrt und um ihre Fürbitte bei Gott angerufen werden. Im Falle eines Seligen gilt das für ein bestimmtes Land, ein Bistum oder eine Gemeinschaft; bei Heiligen für die gesamte Weltkirche.
Der Weg dahin ist allerdings kompliziert. Das sogenannte Kanonisierungsverfahren, das kirchenrechtlich auch Prozess oder Fall (Causa) genannt wird, kann sich durchaus in die Länge ziehen – Jahrzehnte sind da gar nichts. “Das erste Wort spricht das Volk”, sagt Schwester Elisabeth Braunbeck. Die Schönstätter Marienschwester arbeitet seit vielen Jahren als Protokollführerin in der Kongregation des Vatikans, die für Heiligsprechungen zuständig ist. “Und das drückt sich darin aus, dass das Volk ihn verehrt.”
Die Kirche ist erst im nächsten Schritt dran. Am Beginn einer Selig- und Heiligsprechung steht der Antrag einer Diözese oder Ordensgemeinschaft beim Vatikan. Sodann muss ein sogenannter Postulator (zu Deutsch “Forderer”) biografische Informationen, Schriften der Person sowie schriftliche und mündliche Zeugnisse von Zeitgenossen sammeln. Diese Akten werden dann bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse eingereicht. Nach weiteren Prüfungen, unter anderem durch Bischöfe und Kardinäle, liegt die letzte Entscheidung beim Papst, der die Heiligsprechung dann vornimmt.
Wunder gibt es immer wieder
Wunder spielen dabei eine wichtige Rolle. Handelt sich nicht um einen Märtyrer, also um eine Person, die für ihren Glauben gestorben ist, muss im Zusammenhang mit dem zukünftigen Seligen oder Heiligen ein Wunder geschehen sein. Bei Johannes Paul II. war ein solches schnell gefunden: die unerklärliche Heilung der parkinsonkranken französischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre aus Aix-en-Provence. Nach dem Tod des Papstes verschlimmerte sich ihr Leiden so sehr, dass sie nicht mehr schreiben konnte. Nach Ankündigung des Seligsprechungsverfahrens fingen ihre Mitschwestern an, den verstorbenen Papst tagelang um Fürsprache auf Heilung ihrer Mitschwester anzurufen. In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni 2005 soll dann plötzlich die Schüttellähmung verschwunden sein.
Doch auch Wunder geschehen nicht einfach so. Die Kirche legt dabei strenge Maßstäbe an. Oft handelt es sich um medizinische Fälle. Mehrere Wissenschaftler müssen den Vorgang untersuchen, Krankheitsverläufe und Klinikakten studieren, Zeugen einvernehmen und zu dem Schluss kommen können, dass das Wunder mit den Kriterien der Wissenschaft nicht erklärt werden kann.
Johannes Paul II. wurde am 1. Mai 2011 von Papst Benedikt XVI. seliggesprochen und somit kanonisiert, also der Liste der Heiligen und Seligen der katholischen Kirche hinzugefügt. Diese ist im Laufe der Jahrhunderte extrem lang geworden. Allein der polnische Papst hat in seiner Amtszeit von 1978 bis 2005 1338 Selig- und 482 Heiligsprechungen vorgenommen. Die Zahl aller von seinen Vorgängern in den vergangenen 400 Jahren insgesamt heiliggesprochenen Personen ist nur etwa halb so hoch.
Schutz gegen alles und für jeden
So überrascht es nicht, dass es unter den vielen Heiligen und Seligen mehr und weniger bekannte Persönlichkeiten gibt. Unter anderem zählen Petrus und Paulus, Nikolaus und Martin, aber auch Franz von Assisi, Mutter Teresa oder Hildegard von Bingen zu den VIPs. Eine Heiligen-Hierarchie gibt es dem Theologen Manfred Becker-Huberti zufolge aber nicht: “Heiliger als heilig kann man ja nicht werden”, so der langjährige Sprecher des Erzbistums Köln.
Allen kanonisierten Männern und Frauen ist gemein, dass sie jeweils bestimmte Patronate haben und deshalb von einzelnen Gruppen oder für besondere Anliegen im Gebet angerufen werden. Beispielsweise ist der heilige Patrick Patron von Irland, der Bergleute, Schmiede und Friseure, des Viehs, gegen Ungeziefer, Viehkrankheiten, Anfeindungen des Bösen und für die armen Seelen.
Vor allem in Süddeutschland und Österreich spielen beim Schutz gegen Unheil die sogenannten vierzehn Nothelfer eine besondere Rolle. Als tatkräftige Fürbitter und Helfer werden sie in schwierigen Notlagen angerufen. Zum Beispiel die Heilige Barbara als Helferin gegen Blitz- und Feuersgefahr oder der heilige Georg als Helfer bei Kriegsgefahren, Fieber und Pest.
Wichtiger als der Geburtstag
Jenseits aller Schutz- und Gebetsanliegen haben Heilige für jeden einzelnen Katholiken eine wichtige besondere Funktion. Es ist ein guter katholischer Brauch, (nicht) nur den Geburtstag, sondern auch den Namenstag zu feiern. Im hohen Mittelalter wurde es üblich, Kindern den Namen eines christlichen Heiligen zu geben und sie unter dessen Patronat zu stellen. Starke Bedeutung bekam der Namenstag in Zeiten der Reformationen, als die Protestanten gegen die Heiligenverehrung ankämpften.
Obgleich der Geburtstag als persönlicher Ehrentag im Laufe der Zeit zunehmend in den Vordergrund gerückt ist, wird der Namenstag in überwiegend katholisch oder orthodox geprägten europäischen Ländern oder auch in Lateinamerika immer noch gefeiert.
Für den Theologen und Brauchtumsexperten Manfred Becker-Huberti steht das auch außer Frage. “Den Namen eines Heiligen wählen meine Eltern für mich aus – weil er in der Familie eine Tradition hat oder weil der Heilige Vorbild sein soll”, sagt er. Der Namenstag sei individueller und bildhafter als der Geburtstag. Schließlich sage der katholische Volksmund Becker-Huberti zufolge nicht ohne Grund: “Geburtstag hat jede Kuh.”
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